Interview mit Uli König (PIRATEN) zum Thema Chancen des technologischen Wandels

Hier findest du ein schriftlich geführtes Interview mit Uli König von den PIRATEN zum Thema Chancen des technologischen Wandels.

Uli König - Die PIRATEN
Uli König - Die PIRATEN

Heute haben wir die Möglichkeit dir ein schriftlich geführtes Interview mit Uli König von der Piratenpartei zum Thema Chancen des technologischen Wandels zu präsentieren – wir wünschen dir viel Spaß beim Lesen!

Stefan Recht: Hallo und danke, dass du dir die Zeit für dieses schriftlich geführte Interview zum Thema Chancen des technologischen Wandels genommen hast. Stell dich doch einfach mal unseren Lesern vor, was du so machst und wie dein Werdegang bisher war.

Uli König: Uli König ist Parlamentarischer Geschäftsführer der Piratenfraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag und Wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion.

Stefan Recht: In den letzten Jahren machen wir immer größere Sprünge im Bereich der virtuellen Realität. Diese Technologie, welche sich noch in den Kinderschuhen befindet, wird aktuell noch hauptsächlich durch den Unterhaltungssektor geprägt. Welche Möglichkeiten und Einsatzbereiche siehst du für diese Technologie in naher, als auch ferner Zukunft?

Uli König: Zunächst wird VR im Unterhaltungsbereich bleiben. Es gibt jedoch langfristig im Bereich der Schulung ein großes Potenzial. So können Kfz-Mechatroniker die Eingeweide von Autos studieren, die nur im Computer existieren. Mediziner können sich per CT und MRT gescannte Körper von Patienten erkunden, ohne diese aufschneiden zu müssen.

In der Schule wäre es möglich virtuelle Exkurse mit der Klasse zu machen, die sonst aus Zeit- und Kostengründen nie möglich wären. Hier muss die Umgebung nicht zwingend virtuell sein. Sie kann auch live per Internet und 360° Kamera z.B. von einer Partnerschule im Ausland gestreamt werden.

Stefan Recht: In letzter Zeit haben sich immer mehr DDoS-Angriffe mit IoT-Technologie („Internet-of-Things) gehäuft. Erst kürzlich hat die US-Regierung eine Sicherheitsstrategie veröffentlicht.[1] Wie stehst du und deine Partei zu diesem Thema?

Uli König: Sicherheitslücken in Hard-, Firm- und Software müssen in Zukunft ein Mangel sein, den Kunden über die Gewährleistung beim Händler geltend machen können. So wird Druck über die Händler auf die Hersteller ausgeübt sichere IoT-Geräte zu liefern und unsichere nicht mehr zu verkaufen.

Beim Verkauf von Geräten mit Netzwerkanbindung sollte verpflichten gekennzeichnet werden, über welchen Zeitraum der Hersteller zusagt Sicherheitsupdates zu liefern und wie lange die Auslieferung maximal dauern wird. So ein Label gehört auf jedes Gerät, wie der Stromverbrauch bei Waschmaschinen und Glühbirnen.

Das Argument des Preisdruckes fällt weg, weil für alle Händler die gleichen Regeln gelten.

Über eine Verlängerung des Gewährleistungszeitraumes auf 5 Jahre sollte man nachdenken. Faktisch ist jedes Stück Hardware, ob IP-Kamera, Smartphone oder Netzwerklautsprecher, dass keine Sicherheitsupdates vom Hersteller mehr bekommt, Elektroschrott. Die meisten Kunden wissen das nur nicht.

5 Jahre Gewährleistung auf Sicherheitslücken würden helfen sehr viel Elektroschrott zu vermeiden.

Stefan Recht: Welche Risiken und Herausforderungen siehst du in der stetig wachsenden Digitalisierung für unsere Gesellschaft, als auch für den Arbeitsmarkt? Wie wird sich dieser, deiner Meinung nach, verändern?

Uli König: Im Arbeitsmarkt fallen seit Hunderten von Jahren durch die Weiterentwicklung Jobs Weg. Früher waren das die Buchmaler, die Bücher abgeschrieben haben und durch Gutenbergs Buchdruck überflüssig wurden. Später viele Arbeiter auf dem Land, die z.B. mit der Sense das Korn eingebracht haben, und durch große Landmaschinen ersetzt wurden.

Es haben sich damals neue Jobs ergeben, die komplexer sind, wie zum Beispiel der Landmaschinenmechaniker. Aber es mussten sich auch viele Leute neue Jobs suchen.

Genau so läuft es heute mit der IT. Es werden zunehmen mehr Jobs durch Computer übernommen.

Wichtig ist, das wird die junge Generation schon in der Schule auf diese Entwicklung vorbereiten. Dazu gehört auch zu verstehen, wie Digitalisierung funktioniert. Ohne Informatik als Pflichtfach, wie wir Piraten es beantragt haben, sehe ich hier keine Zukunft.

Wer bereits in Lohn und Brot steht, muss die Möglichkeit haben sich z.B. über Internet weiterzubilden, damit Weiterentwicklung, Familie und Beruf zeitlich unter einen Hut zu bringen sind. Hier sind die Hochschulen gefordert, sich endlich vom starren Vorlesungsunterricht weg zu bewegen.

Stefan Recht: Um in Zukunft nicht zu den verspäteten Digitalisierungsgewinnern zu gehören wird aus verschiedenen Bereichen gefordert die Digitalisierung bereits in Schulen starten zu lassen. Die Budgets für Schulen sind teilweise aber sehr begrenzt und oft sind vor Ort noch technische Geräte aus den 90er-Jahren vorhanden. Wie soll dies behoben werden und von welchem Geld?

Uli König: Wir haben für Schleswig-Holstein einen Glasfaseranschluss an jeder Schule beantragt. Das hat den Vorteil, das mit dem Glasfaseranschluss der Schule gleich die umliegenden Gemeinden mitversorgt werden können, weil hier Leerrohre verlegt werden und Kabeln mit sehr vielen Aderpaaren.

Die Ausstattung von Schulen ist in Schleswig-Holstein ein Problem, weil die Ausstattung Sache der Schulträger ist. Das sind bei uns Städte und Gemeinden. Die Ausstattung der Schulen, ist sehr unterschiedlich je nach finanzieller Situation der jeweiligen Gemeinde.

Auch einen Administrator für die Schul-IT, der auch Sache der Schulträger wäre, gibt es oft nicht.

Kurzfrist lässt sich das nur per ‚bring your own device‘ lösen.

Langfristig macht ein zentrales IT-Management Sinn, dass regelmäßig neue Hardware least, und dieses auch zentral managend. Das nimmt den Schulen zwar Flexibilität, stellt aber im Gegenzug sicher, dass die vorhandene Hard- und Software ordentlich funktioniert.

Die Finanzierung könnte der Bund einheitlich übernehmen, der ja heute z.B. Schulgebäude energetisch saniert, aufgrund des Kooperationsverbotes jedoch nicht die Schul-IT übernehmen darf.

Stefan Recht: Die Forschung hat ja bereits herausgefunden das sich Computer- und Videospiele durch Spiegelneuronen auf den Menschen auswirken können.[2] Neueste Studien zeigen auch auf, dass die übermäßige Nutzung eines Mobiltelefons oder Tablets auch negative Auswirkungen auf Kinder haben können.[3] Welche Sicherheitsmaßnahmen kannst du dir hier vorstellen?

Uli König: Computer, Smartphones, Tabletts und Bücher sind Medien. Wenn man sie übermäßig nutzt, hat das folgen. Wer sie nutzt, muss darauf vorbereitet werden. So ist es vielleicht keine gute Idee das Buch „Das Schweigen der Lämmer“ einem Heranwachsenden zum Lesen zu geben, ohne vorher den Unterschied zwischen Wirklichkeit und Fiktion genau erklärt zu haben.

Dasselbe Phänomen sehen wir bei Computerspielen. Eltern müssen sich die Zeit nehmen, um mit ihren Kindern zu reflektieren, dass gerade passiert.

Technische Hürden funktionieren in der Regel nur sehr eingeschränkt, da Kinder und Jugendliche äußerst erfinderisch darin sind, ihre Eltern aus zu manövrieren, wenn als Preis unbeschränktes Internet etc. winkt.

Technische Kindersicherungen, funktionieren bestenfalls für Rentner, die nicht mehr merken, dass sie gerade auf einen „Jetzt bestellen“ Button gedrückt haben.

Stefan Recht: Jetzt aber genug Schwarzmalerei. Welche großen Chancen und Möglichkeiten siehst du in dieser Technologie? Wird es bald die digitale Universität geben? Und auf welche Bereiche glaubst, du wird diese Technologie die größte Auswirkung haben?

Uli König: Die digitale Universität ist Realität seit den 90igern. Universitäten waren mit die ersten Einrichtungen, die ans Internet angeschlossen waren.

Die FH-Lübeck bietet bereits über onCampus digitale Studiengänge und anerkannte Fortbildungen an.

Allerdings laufen die Hochschulen genau wie der Rest der Gesellschaft mit zusammengebundenen Schnürsenkeln dank Urheberrecht und Verwertungsgesellschaften wie VG Wort.

Viele Werke werden nicht veröffentlicht, weil ihre Schöpfer Angst haben, für übernahmen aus anderen Werken zu Kasse gebeten zu werden.

Und dass, obwohl wir schon pauschal Zahlen für: Kopierer, Scanner, Fax, PCs, Tabletts, Brenner, MP3-Player, Tonbandgeräte (LOL!), Kameras, Mobiltelefone, USB-Sticks, Speicherkarten, Rohlinge, Festplatten, Fernseher, Video/Festplattenrekorder.

Bevor also, die neuen Technologien ihre Wirkung richtig entfalten können, müssen wir unsere Gesetze gerade ziehen. Entweder wir Zahlen per Pauschalabgabe oder Lizenzieren einzeln jeden Kleinkram. Beides gleichzeitig ist jedoch grober Unfug!

Stefan Recht: Wir haben die USK und FSK, also Einrichtungen zur Selbstkontrolle von Spielen und Filmen. Kann man davon ausgehen, dass es eine dritte Einrichtung zur Selbstkontrolle der virtuellen Realität geben wird oder wird man versuchen die Kontrolle auf alle zuständigen Bereiche und Ministerien dezentral zu verteilen?

Uli König: Wahrscheinlich wird es aufgeteilt werden, je nachdem ob es sich um einen interaktiven Inhalt handelt, oder nur um die Wiedergabe eines 360° Filmes a la Youtube.

Stefan Recht: Neben Medizin und Unterhaltung versucht auch der Tourismus die Digitalisierung für sich zu nutzen. Momentan handelt es sich bei dieser Technologie ausschließlich um ein visuelles Erlebnis. Meinst du das weitere Sinne hinzukommen und wir am Ende vielleicht sogar jeder unser kleines, virtuelles Holodeck besitzen werden?

Uli König: Das wird noch sehr lange dauern. Im Moment kriegen es viele Ferienhausvermieter nicht einmal hin, ordentliche Fotos zu liefern, selbst wenn ihnen die Tourismusverbände einen günstigen Full-Service mit Fotograf und allem anbieten. Hier wird der nächste Schritt die Erschließung mit 360° Panoramen al la Google Streetview sein.

Langfristig sind Medien die Urlauber einstellen, erst mal die wichtigste Quelle um sich zu informieren, wo man hin will. Ob das Wetter an Zielort zu einer bestimmten Jahreszeit brauchbar ist.

Dass man in der VR-Urlaub macht, sehe ich noch lange nicht. Dafür ist es zu anstrengend für Augen und Geist.

Vielen Dank das du dir die Zeit für dieses schriftlich geführte Interview zum Thema Chancen des technologischen Wandels genommen hast!


[1] https://www.heise.de/security/meldung/Internet-of-Things-US-Regierung-veroeffentlicht-Security-Strategie-3488886.html

[2] https://gamezine.de/spiegelneuronen-gewaltbereitschaft-computerspiele-erhoeht.html

[3] http://www.cbc.ca/news/canada/edmonton/over-use-of-ipads-iphones-and-smart-screens-hurting-kids-1.3221491

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